Freitag, 22. Mai 2015

Schreibübung Nummer 6 - Das D-Wort

Schreiben Sie über Disziplin.
Wenn ich die Formulare für die Einkommenssteuererklärung ausfülle, brauche ich Disziplin.
Disziplin ist eine Art Kokosnuss. Wer sie hat, ist schwer zu knacken, jedenfalls vom Staat. Vielleicht auch von anderen Zeitgenossen. Aber vorsichtig muss man schon sein, Kokosnüsse haben die Eigenart manchen auf den Kopf zu fallen.
Wann stehe ich mir mit meiner Disziplin selbst im Weg? Dann, wenn ich nicht abschalten kann? Wenn ich vor lauter Disziplin nicht mehr entspannen kann?
Zur Disziplin gehört, ganz klarer Fall, auch das Kaffeetrinken. Ohne diese morgendliche Pflichtübung kommt mein Kreislauf gar nicht auf Hochtouren. Auch der Besuch eines Sportstudios kann ein Fall für Disziplin sein. Endorphine beeinflussen die Disziplin äußerst positiv.
Bei mir gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Blutdruck und Disziplin. Wenn der Blutdruck bei 90 rumkrebst, ist die Disziplin nicht mehr im sichtbaren Bereich. Ab 120 meldet sich die Disziplin: "Hallo, hier bin ich. Schon was vor?" Und so schnell kann ich gar nicht reagieren. Vor lauter Verlegenheit antworte ich dann: "Ne, warum?" Und zack hat mich die Disziplin erwischt. Es folgen Aktionen wie Küche aufräumen, bügeln, putzen und ähnliche von der Disziplin geliebten Tätigkeiten.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Schreibübung Nummer 5: Bitte (nicht) berühren!

Schreiben Sie mit Ihrem Tastsinn. Erfühlen Sie eine Person oder einen Gegenstand oder ein Ereignis.
Es war ein watteweicher Sonntag im butterweichzarten Mai. Nichts deutete darauf hin, dass ein polyacrylkratziger Typ mir begegnen würde. Ich saß auf der saftigen Wiese, die fluffig wie ein Croissant war. Schon wieder musste ich mich mit meinem rechten Hinterlauf am Kopf kratzen. Flöhe hatten es sich in meinem struppigen und rastazöpfenähnlichen schwarzen Fell bequem gemacht. Ich wartete auf den maifrischen Postboten. Nein, ich habe im Gegensatz zu vielen meiner wuschelig-streichelzarten Artgenossen nichts gegen maifrische Postboten. Unser maifrischer Postbote hat sogar knackig-rauhe Leckerlies für mich, jedes Mal. Da, endlich bog er mit seinem großen, gelben Fahrrad aus kaltem Stahl um die Ecke. Ich stand auf, hinterließ einen Sitzabdruck im Gras und trottete auf ihn zu.
Da kam mir dieser polyacrylkratzige Typ dazwischen. So ein kleiner, grauer Hund, gerade mal so groß wie ein knautschiges Meerschweinchen. Er war neu im Viertel. Mit seinem Kleinhundcharme wickelte er den nichtsahnenden Postboten um seine klitzekleinen, plüschigen Tatzen. Um auch wirklich eher Leckerlies zu bekommen, hüpfte er immer wieder hoch, als wäre er auf einem Trampolin.
Ich nahm mir vor, morgen würde sich das ändern. Morgen würde ich wieder als erster die Leckerlies bekommen. Ich bin schließlich hier der Boss vom Viertel. Heute drücke ich ein Auge zu, aber nur heute.

Samstag, 16. Mai 2015

Cinderello - ein Gedicht

Du bist mein Cinderello
Ich liebe es, wie zart und vorsichtig Du die Gläser und die Teller anfasst
Du bist mein Cinderello
Ich liebe es, wie Du das formvollendete Bügeleisen über die zerknitterte Baumwolle gleiten lässt
Du bist mein Cinderello
Ich liebe es, wie Du das widerspenstige Gemüse liebevoll klein hackst
Du bist mein Cinderello
Ich liebe es, wie Du den müden Kindern eine Geschichte vorspielst
Du bist mein Cinderello
Ich liebe es, wie Du den röhrenden Staubsauger durch die Gegend schwenkst
Du bist mein Cinderello
Ich liebe es, wenn Du die Spülmaschine ausgeräumt hast.
Du bist mein Cinderello
Ich hasse es, wenn Du streikst.

Samstag, 8. November 2014

Schreibübung Nummer 4: Hören Sie genau zu!

Verfassen Sie einen Dialog, in dem der Sprechrhythmus den Gegenstand der Unterhaltung unterstreicht.
Personalchef: "Und wieso haben Sie sich für diese Stelle beworben?"
Bewerber: "Ich mache diesen Spagat, weil ich bin ein Mann der Tat."
Personalchef: "Könnten Sie sich etwas genauer ausdrücken? Sie haben sich als Bürokaufmann beworben. Warum?"
Bewerber: "Im Büro bin ich lieber als auf'm Klo. Im Bett ist es auch ganz nett, aber das Büro ist mein Leben, danach will ich streben."
Personalchef: "Wieso sollten wir Sie gerade nehmen?"
Bewerber: "Ich bin ein Held, so wie er jedem gefällt."
Personalchef: "Ich bin noch nicht überzeugt."
Bewerber: "Büro ist mein Ding, da hab ich den Swing. Die Formulare sind schnell ausgefüllt, die Untergebenen angebrüllt. Ich liebe den Talk, danach einen walk."
Personalchef: "Vielleicht sollten Sie es doch woanders probieren."
Bewerber: "Ich bin der Richtige, ganz klar, ich gebe Ihnen 100 in bar."
Personalchef: "Okay."

Dienstag, 5. August 2014

Schreibübung Nummer 3: Geschmack

Aufgabe: Schreiben Sie über Geschmack, ohne sich auf Lebensmittel und Mahlzeiten zu beziehen.
Langsam ließ sie den Bissen auf der Zunge zergehen. Er schmeckte nach Sonne, frischer Luft und Freiheit. Sie wusste, nichts auf dieser Welt würde sie darin hindern, ihm jetzt zu sagen, dass er der beste Koch aller Zeiten sei. Und nichts würde sie daran hindern, ihm ihr Geheimnis anzuvertrauen. Die Zeit war reif.

Samstag, 2. August 2014

Schreibübung Nummer 2: Gerüche

Aufgabe: Beschreiben Sie Gerüche. Suchen Sie sich einen besonders starken Geruch, oder porträtieren Sie einen Ort oder eine Person allein durch ihren Geruchssinn. Filtern Sie alles, was Sie sehen, erleben oder empfinden, durch die Nase.
Wenn man die Küche betrat, lag oft ein zarter Duft von Rosen in der Luft. Das war die Kopfnote, als schmückendes Beiwerk roch es nach frischen Erbsen. In der Küche selbst vermischte sich ein Bouquet von salzigen Kartoffelkochwasser und gebratenem Hähnchenschnitzeln mit einer Vanillewolke. Aber nichts konnte mit dem Geruch von Freitag mithalten. Freitags gab es Fisch in allen Variationen, als säuerlichen Matjes mit Zwiebelringen, gebraten als paniertes Zanderfilet oder frisch aus dem Backofen als Seelachsauflauf mit würzigen Kräutern.
Und es war ein Freitag, als Leas Mutter von ihrem Ausflug einfach nicht zurück kehrte.

Freitag, 1. August 2014

Schreibübung Nummer 1: Kritische Stimme

Aufgabe: Geben Sie Ihrer kritischen Stimme Gestalt. Machen Sie aus dem Zensor eine Figur. Welches Geschlecht hat sie? Wie sieht sie aus? Wie riecht sie? Welche Schriftsteller mag sie, welche nicht?
Hugo ist der kritischste aller kritischsten Kritiker, die es weltweit gibt. Er riecht nach Autorenschweiß, der eine Mischung aus Meeressalz und Veilchenduft ist. Er hat weiße, wellige, schulterlange Haare, mit denen er selbstverliebt oft spielt. Er ist so groß wie eine Kaffeetasse, zum Glück, weil er sonst noch mehr nerven würde.
Hugo mag Michael Ende, Sommerset Maugham. Hugo hat eine große Abneigung gegen Krimis, obwohl er früher viel davon gelesen hat. Anscheinend ist er lesemüde, was die Krimis angeht.
In seiner Höhle, Hugo wohnt in einer 1-Kobold-Höhle aus Lehm, hat er ein rotes Kästchen, in dem sich rote Fäden befinden. Er hat sie alle gesammelt, um mich zu ärgern, sämtliche rote Fäden, die mir abhanden gekommen sind, findet man in Hugos Kästchen. So einer ist er. Man muss ganz schön aufpassen, wenn er sich wieder auf die Lauer legt. Er hat eine Vorliebe für bordeauxrote Fäden.